Nachlass von Hanns In der Gand wird katalogisiert

Vor 75 Jahren ver­starb Sol­daten­sänger Hanns In der Gand, der noch heute vor allem dank des Liedes «La petite Gilberte de Cour­ge­nay» ein Begriff ist. Jet­zt wird sein Nach­lass aufgear­beit­et. Er umfasst mehrere Tausend von ihm gesam­melte Volk­slieder aus allen Lan­desteilen der Schweiz

von Roman Walk­er*
Urn­er Insti­tut «Kul­turen der Alpen» an der Uni­ver­sität Luzern

Am 24. Mai 1947 – also vor ziem­lich genau 75 Jahren – ist Hanns In der Gand in sein­er Zürcher Wahlheimat Zumikon im Alter von 64 Jahren ver­stor­ben. Der Urn­er mit pol­nis­chen Wurzeln ist heute vor allem noch ein Begriff ist durch das Lied «La petite Gilberte de Cour­ge­nay», das er niedergeschrieben und als Sänger bekan­nt gemacht hat. Als Sol­daten­sänger war Hanns In der Gand zu Lebzeit­en äusserst pop­ulär. Gle­ichzeit­ig reiste er als Forsch­er durch das Land, liess sich von der Bevölkerung alte Lieder vorsin­gen und schrieb deren Texte sowie Melo­di­en auf. So sam­melte er Tausende von Volk­sliedern – und dies als erster Volk­skundler in allen vier Lan­dessprachen.

Seit nun­mehr 75 Jahren schlum­merte In der Gands Nach­lass weit­ge­hend unbeachtet im Schweiz­erischen Volk­sliedarchiv in Basel. Durch das Engage­ment des «Haus der Volksmusik Alt­dorf» und des Urn­er «Insti­tut Kul­turen der Alpen» wird dieser Schatz nun gehoben und dig­i­tal kat­a­l­o­gisiert. Dadurch kann er für inter­essierte Per­so­n­en zugänglich gemacht wer­den. Par­al­lel dazu läuft am «Insti­tut Kul­turen der Alpen» ein Forschung­spro­jekt zum Volk­sliedergut der Schweiz. Überdies soll im Früh­jahr 2023 eine Gedenkschrift über Hanns In der Gand erscheinen.

Deutsche Bass­laute wurde zum Marken­ze­ichen
Hanns In der Gand wurde am 1882 in die Fam­i­lie des pol­nis­chen Arztes Stanis­laus Krup­s­ki geboren, der nach sein­er Flucht aus rus­sis­ch­er Gefan­gen­schaft und dem Schweiz­er Staat­sex­a­m­en zufäl­lig in Genf den jun­gen Inge­nieur Louis Favre ken­nen lernte. Diesem wurde kurz zuvor der Bau des Got­thard-Eisen­bah­n­tun­nels anver­traut, weshalb für die zahlre­ichen Gas­tar­beit­er eine medi­zinis­che Ver­sorgung sichergestellt wer­den musste. Die Anstel­lung bei der Got­thard­bahn ver­an­lasste den jun­gen Arzt, Wohn­sitz in Erst­feld zu nehmen, wo der älteste Sohn Ladis­laus, der sich später Hanns In der Gand nan­nte, seine Kinder­jahre ver­brachte.

Nach der Matu­ra in Luzern studierte er, ganz zum Ver­druss sein­er Eltern, in Frank­furt am Main und in München Musik. Mit sein­er stimm­lichen Begabung als lyrisch­er Bari­ton lag die Aus­bil­dung zum Sänger nahe. Auch das Erler­nen eines portablen Begleitin­stru­ments gehörte zur umfassenden Aus­bil­dung. Die Deutsche Bass­laute mit ihren mitschwin­gen­den Bass-Sait­en, eine Rekon­struk­tion eines barock­en Instru­ments, wurde for­t­an zu seinem Marken­ze­ichen. Nach dem Musik­studi­um wirk­te Hanns In der Gand als Hof­schaus­piel­er im säch­sis­chen Altenburg.

Lieder wur­den zum Pro­pa­gan­damit­tel
Während des Ersten Weltkriegs kehrte der bere­its damals als Musik­er pop­uläre In der Gand in die Schweiz zurück und wurde 1914 von Gen­er­al Ulrich Wille zum ersten Sol­daten­sänger der Schweiz­er Armee ernan­nt. Bis zum Kriegsende 1918 gab er weit über tausend Konz­erte bei den Aktiv­di­enst-Trup­pen. Gle­ichzeit­ig stellte er für das Mil­itär drei kleine Gesangs­büch­lein («Schwyz­er­fähn­li 1 – 3») zusam­men und prägte so das Lied-Reper­toire jen­er Zeit. In der Gands gesan­gliche Dar­bi­etun­gen soll­ten ein­er­seits die Trup­pen­moral stärken und vom monot­o­nen Dien­stall­t­ag ablenken. Ander­er­seits hat­te der Sol­daten­sänger mit seinen Liedern auch ein Ide­al­bild der Armee zu ver­mit­teln, wom­it er sel­ber auch für Pro­pa­gan­dazwecke instru­men­tal­isiert wurde. Mit Stro­phen über Gen­er­al Wille hat­te er beispiel­sweise das Image des Befehlshabers bei den Sol­dat­en justiert.

Das noch heute pop­uläre Lied «La petite Gilberte de Cour­ge­nay» schnappte In der Gand bei einem Trup­penbe­such an der West­gren­ze auf und machte es in der ganzen Schweiz bekan­nt. Mit seinen deutschen Stro­phen und dem franzö­sis­chen Refrain wurde es zur willkomme­nen Brücke zwis­chen der franzö­sisch- und deutschsprachi­gen Schweiz, denn die bei­den Lan­desteile hat­ten sich während des Ersten Weltkriegs zuse­hends ent­fremdet. Bei «La petite Gilberte de Cour­ge­nay» und anderen von Hanns In der Gand vor­ge­tra­ge­nen Liedern spiel­ten Sprach­gren­zen keine Rolle, es gab nur eine Schweiz. Somit leis­tete der Sol­daten­sänger vom Ersten Weltkrieg bis zur Geisti­gen Lan­desvertei­di­gung des Zweit­en Weltkrieg einen grossen Beitrag zur nationalen Iden­tität.

Rätoro­man­is­ches Kul­turgut gesam­melt
Bedeu­ten­der als sein Gesang bleibt für die Nach­welt aber let­ztlich In der Gands Forschungs- und Edi­tion­stätigkeit im Bere­ich des Schweiz­er Volk­slieds. Im Zuge sein­er Reisen in alle Winkel der Schweiz wur­den ihm Tausende von Liedern schriftlich anver­traut oder ein­fach vorge­sun­gen. Der Urn­er war der erste Schweiz­er Volk­slied­forsch­er, der den Fokus auf alle vier Lan­dessprachen legte. Dadurch leis­tete er auch einen wichti­gen kul­turellen Beitrag auf dem Weg zur offiziellen Anerken­nung des Rätoro­man­is­chen als vierte Lan­dessprache im Jahr 1938.

Die Forschung zum Schweiz­er Liedgut am Urn­er Insti­tut «Kul­turen der Alpen» der Uni­ver­sität Luzern und die damit ver­bun­de­nen Teil­pro­jek­te wer­den durch die Dätwyler Stiftung in Alt­dorf ermöglicht.

* Roman Walk­er ist Sänger, Chor­leit­er und Musikpäd­a­goge. Er forscht am Urn­er «Insti­tut Kul­turen der Alpen» der Uni­ver­sität Luzern zum Schweiz­er Volk­slied. Im Früh­ling 2023 erscheint seine Gedenkschrift über Hanns In der Gand.

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